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Hausärzteverband Hessen:  „Handeln Sie, damit die hausärztliche Versorgung in Hessen eine Zukunft hat!“

Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD in Hessen sind nach den Worten von Ministerpräsident Rhein (CDU) auf der Zielgeraden: Es zeichnet sich ab, dass der Koalitionsvertrag am 18. Dezember unterschrieben werden soll. Mit Blick darauf appelliert der Hausärzteverband Hessen (HÄVH) an die künftige Gesundheitsministerin oder den künftigen Gesundheitsminister, schnellstmöglich besonderes Augenmerk auf die hausärztliche Versorgung zu richten. Die Delegiertenversammlung des HÄVH hat dazu eine Resolution verabschiedet.

Die Situation spitzt sich seit Jahren zu: „Die erheblichen Probleme für die niedergelassene Ärzteschaft haben sich in den vergangenen Jahrzehnten durch gesundheitspolitische Fehlentscheidungen und durch die falsche Verteilung verfügbarer Ressourcen entwickelt“, sagt Christian Sommerbrodt, erster Vorsitzender des Hausärzteverbandes Hessen. „Auch die aktuelle Gesetzgebung in Berlin gefährdet das bewährte System massiv und demotiviert junge Ärztinnen und Ärzte, eine Niederlassung anzustreben. Das ist fatal angesichts der Tatsache, dass in den kommenden zehn Jahren 50% aller hessischen Hausärztinnen und Hausärzte in Rente gehen werden. Angesichts dessen ist Eile geboten und es muss gehandelt werden – auch auf Landesebene“, betont der Hausarzt aus Wiesbaden. Sein Appell an die künftige Gesundheitsministerin oder den künftigen Gesundheitsminister: „Handeln Sie, damit die hausärztliche Versorgung in Hessen eine Zukunft hat!“

Um für die Patientinnen und Patienten langfristig eine flächendeckende ambulante ärztliche Versorgung zu sichern, fordert die Delegiertenversammlung des Hausärzteverbandes Hessen in einer Resolution folgende sechs Punkte:

Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die hausärztlichen Praxen! 
Die Bedingungen für uns Niedergelassene müssen wieder so attraktiv gestaltet werden, dass die nachwachsende junge Ärztegeneration gerne eine Hausarztpraxis übernimmt. Dabei muss eine Befreiung von überflüssiger Bürokratie, eine nach ärztlicher Einschätzung sinnvolle (und funktionierende) Digitalisierung sowie eine angemessene Vergütung ärztlicher Leistungen (Entbudgetierung ärztlicher Leistungen) im Vordergrund stehen. Medikamenten- und Heilmittelregresse müssen abgeschafft werden.

Mehr Medizinstudienplätze!
In den vergangenen 30 Jahren ist die bundesweite Zahl der Medizinstudienplätze von ca. 16.000 auf ca. 11.000 reduziert worden. In Hessen standen im Wintersemester 2022/23 an den Standorten Marburg, Gießen und Frankfurt 1149 Plätze für Erstsemester zur Verfügung. Die Studienkapazitäten im Fach Humanmedizin an den hessischen Universitäten müssen erweitert werden, um eine medizinische Versorgung der älter werdenden Bevölkerung für die Zukunft zu sichern. Dabei ist eine Erweiterung der Hausarztquote eine langfristig sinnvolle Maßnahme.

Umsetzung der Reform der Ärztlichen Approbationsordnung
Die Delegiertenversammlung des Hessischen Hausärzteverbandes fordert Bund und Länder trotz der Differenzen über einen möglichen Kostenausgleich auf, das Verfahren zur Novellierung der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) unverzüglich fortzusetzen und schnellstmöglich zum Abschluss zu bringen. Die Finanzierungsfragen haben zu einer erheblichen Verzögerung geführt. Es ist inakzeptabel, dass die neue ÄApprO nun erst im Jahr 2027, anstatt wie ursprünglich geplant im Jahr 2025, in Kraft treten soll. Das Medizinstudium bedarf eines dringend notwendigen Reformprozesses. Dabei soll u. a. das Wahlquartal im Praktischen Jahr in der hausärztlichen Versorgung, insbesondere in der Allgemeinmedizin, oder im öffentlichen Gesundheitswesen stattfinden. Darüber hinaus macht der Umbau der Krankenhäuser eine Stärkung der ambulanten Ausbildung dringend nötig, um eine medizinische Versorgung der älter werdenden Bevölkerung für die Zukunft zu sichern.

HÄPPI statt Gesundheitskioske
Die Zukunft der ambulanten Versorgung liegt in kooperativen Versorgungsmodellen. Deshalb sollte das „Hausärztliche Primärversorgungszentrum – Patientenversorgung Interprofessionell“, kurz HÄPPI vorangetrieben werden. Dabei handelt es sich um ein innovatives Versorgungskonzept, dass der Landesverband Baden-Württemberg des Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) in Kooperation mit der Universität Heidelberg entwickelt hat. Das HÄPPI-Konzept bietet Strukturen und Rahmenbedingungen, die neue Formen der Zusammenarbeit im Team ermöglichen sollen. In einer HÄPPI-Praxis trägt die Hausärztin oder der Hausarzt weiterhin die Verantwortung und bleibt damit Kopf der Versorgung. Neu ist, dass die Mitarbeitenden je nach Fachkenntnis und unter Aufsicht der Hausärztinnen und Hausärzte stärker in die Versorgung der Patientinnen und Patienten integriert werden. Dadurch haben Ärztinnen und Ärzte wieder mehr Zeit für diejenigen, die ihre ärztliche Expertise dringend benötigen. Eine Zersplitterung der Gesundheitsversorgung, welche die Patientinnen und Patienten überfordern und – wegen der Doppelstrukturen – zu erheblichen Mehrkosten führen würde, wird verhindert.

Finanzinvestoren in der Gesundheitsversorgung stoppen!
Medizin ist kein Gewerbe, sondern Daseinsfürsorge. Es gibt den fatalen Trend, dass zumeist fachfremde Finanzinvestoren Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und Arztpraxen aufkaufen, um sie anschließend mit maximalem Gewinn zu betreiben. Die Gesundheitspolitik muss diese Profitgier im medizinischen Bereich unterbinden. Patientinnen und Patienten müssen sich sicher sein können, dass sie behandelt werden, weil es um ihre Gesundheit geht – und nicht nur, weil es sich finanziell lohnt. Für mehr Transparenz für Patientinnen und Patienten würde zum Beispiel ein öffentliches und frei zugängliches MVZ-Register sorgen. Zusätzlich sollten die MVZ dazu verpflichtet werden, die Trägerschaft auf dem Praxisschild auszuweisen. Hier muss der Gesetzgeber endlich handeln. Eigentlich hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bereits Ende 2022 angekündigt, man werde den „Einstieg dieser Heuschrecken in Arztpraxen“ beenden – passiert ist bisher nichts.

Reform der Notfallversorgung – Strukturen des hessischen SaN-Projekts nutzen!
Die Notaufnahmen der Krankenhäuser werden zunehmend mit Bagatell-Fällen geflutet. Und das, obwohl tagsüber die Praxen geöffnet haben und nachts der ärztliche Bereitschaftsdienst zur Verfügung steht. Sinnvoll wäre es, Strukturen des hessischen SaN-Projekts zu nutzen. Das deutschlandweit einzigartige Modellprojekt, das seit gut einem Jahr im Main-Taunus-Kreis, im Main-Kinzig-Kreis sowie im Kreis Gießen erprobt wird, ermöglicht eine schnelle, passgenaue Patientensteuerung durch den Einsatz digitaler Systeme (SmED/IVENA). Patientinnen und Patienten, die stationär behandelt werden müssen, können den zentralen Notaufnahmen effizienter zugewiesen werden. Wer ambulant versorgt werden kann, wird vom Rettungsdienst nicht ins Krankenhaus, sondern in eine Partnerpraxis gefahren und dort behandelt. Um Patientinnen und Patienten und ihre Daten reibungslos von einem System in das andere übergeben zu können, werden die zentralen Leitstellen des Rettungsdienstes und der KV Hessen miteinander verknüpft.

Pressekontakt:

Gundula Zeitz, Pressereferentin HÄVH. Tel.: 0171 8132671, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.