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Neues aus der Regressarbeitsgruppe: Auf die Indikation kommt es an

Aktuelle Fälle aus der Regressarbeitsgruppe des Hausärzteverbandes Hessen (HÄVH) zeigen, wie wichtig eine korrekte Kodierung der Diagnosen ist. „Bei jeder Präparateverordnung muss im Hinterkopf behalten werden, ob für die kodierte Indikation auch eine entsprechende Zulassung für das verordnete Medikament besteht“, betont Dr. Alexander Jakob, 1. Vorsitzender des Bezirks Wetterau des HÄVH und Leiter der Regress-AG.

Von Dr. Alexander Jakob

Über unser hausärztliches Meldesystem für Arzneimittelregresse wurde in der Vergangenheit immer wieder von Einzelfällen berichtet, in denen es zum Beispiel um Impfungen ging, bei denen Mindestabstände unterschritten wurden, aber auch die Indikationen für die Durchführung nicht gegeben waren. Es wurden auch immer wieder die fehlenden oder falschen Indikationen für Arzneimittel genannt, die dann zum Beispiel im Rahmen von Prüfungen zur Beanstandung führten.

Dies zeigt, wie wichtig eine korrekte Kodierung der Diagnosen ist. Bei jeder Präparateverordnung muss im Hinterkopf behalten werden, ob für die kodierte Indikation auch eine entsprechende Zulassung für das verordnete Medikament besteht.

Ein typisches Beispiel hierfür wäre die Verordnung von Dosieraerosolen mit einem Corticoidanteil und Betasympathomimetikum bei persistierendem Husten im Rahmen eines Infektes der oberen Atemwege, ohne dass ein mögliches Asthma bronchiale diagnostiziert worden ist.

Off-Label-Use sollte bei den Krankenkassen im Vorfeld beantragt werden

Bei meinen eigenen Patienten sind mir Verordnungswünsche von vorbehandelnden Neurologen aufgefallen, die bei essentiellem Tremor eine aufsteigende Dosierung mittels Topiramat empfohlen haben. Die arzneimittelrechtliche Zulassung für Topiramat ist aber auf epileptische Anfälle, insbesondere Grand-mal-Anfälle, fokale Anfälle und myoklonische Anfälle des Jugendalters eingegrenzt. Die Verordnung ist ein klarer Off-Label-Use und somit für die angefragte Indikation nicht zugelassen.

Häufiger sind mir auch Verordnungswünsche von Gynäkologen begegnet, in denen bei jungen Frauen mit Kinderwunsch und der eher prima vista festgestellten Diagnose eines polyzystischen Ovarialsyndromes der Einsatz von Metformin erfolgen soll. Die Indikation von Metformin besteht aber in der Zulassung für die Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 und in einem Teil der Briefe findet man dann freundlicherweise auch den Hinweis, dass es sich wiederum um einen Off-label-Use handelt.

Erfolgt in diesen Fällen trotzdem eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung, gibt es keine entlastende Begründung, wenn es zur Regressandrohung kommt, was oft nicht bekannt zu sein scheint.

Eine klare Forderung unsererseits ist, dass Diagnosen, die durchaus in der Vielzahl und Komplexität unseres Alltages in der Dokumentation vergessen werden, in einem späteren Prüfverfahren nachgereicht werden können.

Für die Fälle in denen eine Diagnose, die für die Verordnung hinreichend ist, nicht besteht, sei auf den Antrag eines Off-Label-Use an die Krankenkassen hinzuweisen. Dieser Antrag sollte natürlich nur bei Medikamenten erfolgen, bei denen es wissenschaftliche Belege dafür gibt, dass es neben der Zulassungsindikation auch eine Wirksamkeit für den beabsichtigten Off-Label-Gebrauch gibt.  Desweiteren sollte der Antrag enthalten, dass es sich um eine schwerwiegende Erkrankung handelt, dass es keine wirksamen Alternativen gibt und dass es auch eine begründete Aussicht auf einen Therapieerfolg gibt.

Empfehlenswert: Anlage der Arzneimittelrichtlinie des GBA

In diesem Zusammenhang lohnt es sich auch, die Anlage der Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu den verordnungsfähigen Arzneimitteln in nichtzugelassenen Anwendungsgebieten zu lesen, wo sich zum Beispiel der Wirkstoff Gabapentin zur Behandlung der Spastik bei Multipler Sklerose oder Verapamil zur Prophylaxe des Clusterkopfschmerzes findet.

Mögliche Fallstricke können auch bei der Verordnung von Protonenpumpenhemmern liegen. Dies gilt zumindest dann, wenn die Zulassungsindikationen, die hier auch teils abhängig von der Dosierung bestehen – wie die Refluxösophagitis, das Ulcus ventriculi oder duodeni, ein Zollinger-Ellison-Syndrom oder anderer Erkrankungen die mit einer pathologischen Hypersekretion der Magensäure verknüpft sind – nicht beachtet und kodiert werden.

Zentrale Forderung bleibt: Regresse für Arzneimittel abschaffen!

Zusammenfassend kann man zu diesem unerfreulichen Thema leider nur wieder feststellen: Unsere zentrale Forderung muss weiterhin bleiben, dass Regresse für Arzneimittel dringend abgeschafft werden müssen. Denn sie gefährden unsere hausärztliche Zukunft und die Gewinnung unseres Nachwuchses. Und es ist nur schwer vorstellbar, dass es mit der Verordnung von Metformin oder Verapamil mit vergessener Diagnosestellung um die eigene Bereicherung geht und dies gar einen Schaden für die Krankenkassen darstellt.

Dr. Alexander Jakob
für die Regressarbeitsgruppe