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„Überbordende Bürokratie stiehlt Zeit für Patienten“

Komplexe Regelungen, komplizierte Formulare, die Einführung neuer Pflichtanwendungen der Telematikinfrastruktur, die mehr Zeit fressen als einsparen: Der Bürokratieaufwand in den Praxen steigt immer weiter. Darauf aufmerksam zu machen, war das Ziel des 7. Protesttages gegen die aktuelle Gesundheitspolitik. Die Initiatoren der Praxisschließungen wollen nun eine Pause einlegen, um mit Blick auf die Landtagswahlen in Hessen die Kräfte nach der Sommerpause erneut zu bündeln.

Es ist ein Thema, das vielen Ärztinnen und Ärzten seit Jahren auf den Nägeln brennt: Der Bürokratieaufwand in den Praxen steigt und steigt … und steigt. Grund genug, das Thema mit dem 7. Protesttag, zu dem der Hausärzteverband Hessen (HÄVH), der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ), die Berufsverbände der Fachärzte sowie die Berufsverbände der Psychotherapeuten am 31. Mai aufgerufen hatten, einmal mehr in die Öffentlichkeit zu tragen.

Gesundheitssystem krankt an überbordender Bürokratie

„Das Gesundheitssystem krankt an überbordender Bürokratie, die uns die Zeit und die Ressourcen für unsere Patientinnen und Patienten stiehlt“, sagt Christian Sommerbrodt, erster Vorsitzender des Hausärzteverbandes Hessen e. V. (HÄVH). „Auch der hohe Bürokratieaufwand hindert junge Ärztinnen und Ärzte daran, sich niederzulassen“, so der Hausarzt aus Wiesbaden. Deshalb gefährde nicht zuletzt die Bürokratie in den Praxen die medizinische Versorgung der Patienten.

eAU: Zusatzaufwand von mehr als einer Million Arbeitsstunden

„Wir wollen unausgereifte Telematikinfrastruktur-Lösungen, die unter Strafandrohung über der Ärzteschaft ausgerollt werden und zeitlichen Mehraufwand ohne Nutzen für die Volksgesundheit verursachen, nicht länger hinnehmen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des HÄVH, des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ), Landesverband Hessen sowie der Berufsverbände der hessischen Fachärzte und Psychotherapeuten. „Allein die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) verursacht einen Zusatzaufwand in Höhe von mehr als einer Million Arbeitsstunden pro Jahr in den Praxen“, erläutert Sommerbrodt mit Blick auf den Bürokratieindex für die vertragsärztliche Versorgung (BIX), den die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gemeinsam mit der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) bereits im November 2022 veröffentlicht hatte.

Ärzte fehlbelastet durch medizinfremde Tätigkeiten

„Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland sind durch eine Vielzahl medizinfremder Tätigkeiten und vor allem durch den vorgeschriebenen Dokumentationsaufwand fehlbelastet“, sagt auch Dr. Burkhard Voigt, Kinderarzt in Frankfurt und stellvertretender Landesvorsitzender des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ). Laut BVKJ wendet eine durchschnittliche Praxis 30 Prozent ihrer Arbeitszeit für "unsinnige" Bürokratie auf. Sommerbrodt nennt ein Beispiel der Pandemie, die alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in eine nie dagewesene Ausnahmesituation gebracht habe: „Es gibt bis heute für jeden Corona-Impfstoff eine eigene Abrechnungsziffer, bei anderen Impfstoffen ist das nicht der Fall“, so der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Hessen. „Es geht uns darum, die medizinische Versorgung für die Menschen in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Viele Praxen sind aber durch die aktuelle Situation schon längst an den Rand ihrer Belastbarkeit geraten“, kritisieren Sommerbrodt und Voigt.

Praxisschließungen haben Öffentlichkeit sensibilisiert

Seit Oktober vergangenen Jahres hatten der Hausärzteverband Hessen (HÄVH), der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), die Berufsverbände der Fachärzte sowie die Berufsverbände der Psychotherapeuten zu Praxisschließungen aufgerufen. „Wir danken all denjenigen, dass sich in welcher Form auch immer an den vergangenen sieben Protesttagen beteiligt haben“, sagen Dr. Jürgen Burdenski und Dr. Christoph Claus. Die beiden Vorstandsmitglieder des Hausärzteverbandes gehören der „Arbeitsgruppe Protesttage“ an. „Mit den Praxisschließungen ist es gelungen, die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren, dass die bewährte wohnortnahe ambulante medizinische Versorgung gefährdet ist“, betonen Burdenski und Claus.

Protest soll nach der Sommerpause wieder aufleben

„Dennoch werden wir nun vorerst eine Pause einlegen – zumindest, was die Protesttage betrifft. Was aber ins Laufen gekommen ist, sind Gespräche mit Landtags- und Bundestagsabgeordneten, die wir zu Jahresbeginn angeschrieben und auf die Situation aufmerksam gemacht hatten. Wir bleiben dran, schließlich stehen am 8. Oktober Landtagswahlen an, sodass wir den Protest nach der Sommerpause wieder aufleben lassen werden.

Wem sie Zeit bis dahin zu lang ist: Am Mittwoch 21. Juni 2023 plant der MEDI-Verbund eine große Kundgebung auf dem Stuttgarter Schlossplatz: https://www.medi-verbund.de/2023/03/aerzteprotest/