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Honorarergebnis III/22: „Gib alles für nichts!“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

zunehmend erreichten uns in den letzten Tagen in der Verbandsgeschäftsstelle verzweifelte oder empörte Anrufe von Kollegen, die bei der Durchforstung ihrer Kontoauszüge nur mit einer Lupe ihre KV-Restzahlung für das Quartal III/22 entdecken konnten. Das Honorarergebnis ist für die meisten gelinde gesagt äußerst unbefriedigend ausgefallen. Einige mögen sich an meinen Artikel in einer der letzten HÄV-News, der unter dem alten Dalton´schen Motto „Gib alles für nichts“ stand, erinnert haben.

Ich möchte Ihnen die Gründe für die (durchaus so erwartbare) aktuelle Honorar-Misere aufzeigen: Wie Sie wissen, sind die KV-Honorare grob gesagt in zwei Bereiche aufgeteilt:

  • Die extrabudgetäre Gesamtvergütung (EGV) – das ist der Teil, den wir zu 100% vergütet bekommen. Leider stellt dieser Teil im hausärztlichen Bereich nur einen geringen Anteil dar. Darunter fallen zum Beispiel die Impfleistungen, aber auch die Check-Up-Untersuchung oder die TSVG-Leistungen.
  • Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV), die den weitaus größten Teil unserer Honorarzahlungen ausmacht. Dies ist der Bereich, bei dem die Krankenkassen jedes Quartal einen schon vorher festgelegten Betrag „mit befreiender Wirkung“ an die KVen bezahlen. Dieser Betrag wird dann nach den Vorgaben des Honorarverteilungsmaßstabes von den KVen an alle niedergelassenen Ärzte ausgezahlt.

Unflexibles Honorarsystem

Sofort ist sichtbar, dass hier der „casus knacktus“ für solch traurige Ergebnisse wie in III/22 zu verorten ist. Der ganz große Teil unseres Honorarsystems ist nämlich unter diesen Bedingungen völlig unflexibel. Das Geld mag für alle angeforderten (und erarbeiteten!) Honorare ausreichen, wenn nur wenige Menschen in einem Quartal zum Arzt gehen. Das war zum Beispiel zu Beginn der Corona-Pandemie der Fall, als weniger Patienten als sonst die Arztpraxen aufsuchten.

Im Falle, dass wie im vorliegenden Quartal eine große Krankheitswelle durch das Land schwappt (Ich kann mich nicht erinnern, in meinen mehr als 25 Jahren als Hausarzt in einem Sommer jemals so viele Atemwegsinfektionen behandelt zu haben), übersteigt die Honoraranforderung die zur Verfügung stehende Honorarsumme bei weitem. Ab einem gewissen Zeitpunkt arbeiten Sie somit fast umsonst. Hier ist das obenstehende Motto von Joe Dalton angesagt. Da auch die KV kein Geld backen kann („Sondervermögen“ gibt es nur in der großen Politik), wird das zur Verfügung stehende Geld prozentual aufgeteilt, somit budgetiert ausbezahlt. Im Falle unseres Quartals III/22 ist die Fallzahl im Vergleich zum Vorjahresquartal um 2% gestiegen; der Leistungsbedarf lag um 0,7% über dem Vorjahr, ohne dass die MGV entsprechend erhöht worden wäre.

Ärzteschaft trägt Morbiditätsrisiko

Das Grundübel besteht also darin, dass wir als Ärzteschaft entgegen anderslautender Beteuerungen aus Berlin das Morbiditätsrisiko der Bevölkerung tragen. Der eigentlich bestehende Ausgleich über den NVA (nein, nicht, was Sie denken: Es handelt sich nicht um ehemalige Armeen, sondern um den „nicht vorhersehbaren Anstieg der Morbidität“), der uns diesbezüglich eigentlich entlasten soll, funktioniert nur sehr eingeschränkt und wird überhaupt nur auf das Gesamtjahr bezogen verhandelt. Die Entscheidungen für die Auszahlungen eines solchen erfolgen im Rahmen von Verhandlungen im Bewertungsausschuss in Berlin. Im letzteren sitzen sich die gleiche Anzahl KV-Vertreter und Kassenvertreter gegenüber. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende, dessen Entscheidungen in den letzten Jahren nicht von Verständnis gegenüber der Ärzteschaft geprägt waren. Im Normalfall kommt aus solchen Verhandlungen wenig bis nichts heraus. Wenn, erfolgt eine entsprechende Nachzahlung mit hohem zeitlichem Verzug.

Politik misst mit zweierlei Maß

Gibt es weitere Gründe für das Ergebnis in III/22? Ja, die gibt es: Die Politik in Berlin hat uns im Jahr 2020 alle Leistungen bei Coronapatienten extrabudgetär ausbezahlt, was angesichts des extremen Aufwands und Risikos für alle Praxismitarbeiter nur recht und billig war und unser Honorar entsprechend aufbesserte. Ab dem Quartal I/21 wurden diese Leistungen wieder innerhalb der MGV vergütet, alle Coronapatienten mussten aber mit einer Kennziffer (GOP 88240) gekennzeichnet werden. Die KV hat diese Leistungen dann als Vorwegleistung zu 100% vergütet. Die Kennzeichnung hat die Verhandlungen über einen (Corona-) NVA mit entsprechendem finanziellem Ausgleich möglich gemacht. Unseligerweise hat die Bundespolitik diese Kennzeichnung ab III/22 abgeschafft, so dass wir wieder auf die alten, vor der Pandemie bestehenden Regelungen zurückgestoßen wurden. Im Gegensatz zu den Krankenhäusern sieht die Politik bei uns Niedergelassenen offensichtlich keinen Grund, unseren immensen Aufwand im Rahmen der Pandemie adäquat zu honorieren.

Prinzip „Rechte-Tasche – linke Tasche“

Zudem erfolgt (noch aus Zeiten des vorherigen Bundesgesundheitsministers) derzeit eine sogenannte „Bereinigung“ der Leistungen aus dem TSVG, im hausärztlichen Bereich insbesondere der Neupatientenregelung. Diese werden bis einschließlich IV/22 extrabudgetär vergütet, dafür wird aber Geld aus der MGV abgezogen (Rechte Tasche – linke Tasche – Prinzip). Je nach Zahl der Neupatienten im Vergleich zum Vorjahr kann es hier bei einzelnen Praxen zu einem zusätzlichen Defizit kommen.

Übrigens ist für das Quartal IV/22 mit keinen besseren Honorarergebnissen zu rechnen. Erst ab I/23 dürfte es (im Falle weiter abflauender Erkältungswelle) zu einer gewissen Entspannung kommen.

Zusammenfassend besteht das Haupt- und Dauerproblem für die Ärzteschaft in der systematikbedingten Budgetierung unserer Honorarauszahlungen. Derzeit ist diesbezüglich angesichts der seitens der Bundespolitik zu konstatierenden völligen Ignoranz bzgl. unserer Probleme im KV-System keine erfreuliche Änderung zu erwarten.

Bitte lassen Sie Ihren berechtigten Unmut nicht an den KV-Mitarbeitern aus, diese können dafür rein gar nichts. Das Problem liegt in Berlin, und zwar bei Politikern und Krankenkassenvertretern. Auch ein Widerspruch gegen den Honorarbescheid hilft hier nicht weiter. Formal ist die Berechnung Ihrer Honorarauszahlungen sicher korrekt erfolgt.

Hausärzteverband kämpft gegen unbefriedigende Honorarregelung

Der Hausärzteverband Hessen kämpft seit langem gegen die ungerechte und zutiefst unbefriedigende Honorarregelung an. Nicht zuletzt aus diesem Grund führen wir seit Monaten die Ihnen bekannten Protestmaßnahmen durch. Um unseren Aktionen mehr Druck zu verleihen, kommen Sie bitte in möglichst großer Zahl zu der Protestveranstaltung am 15.2.23, 11.00 Uhr auf den Frankfurter Römerberg!

Was können Sie sonst tun, um Ihre Honorarsituation zu verbessern? Innerhalb des KV-Systems vermutlich nicht viel.

Es gibt aber für den hausärztlichen Bereich ein alternatives Abrechnungssystem, die HZV (Hausarztzentrierte Versorgung). Hier unterliegen Sie keiner vergleichbaren Budgetierung und die Honorarergebnisse sind durchweg deutlich besser als im KV-System. Falls Sie noch nicht bei der HZV mitmachen, informieren Sie sich bei der Geschäftsstelle des Hausärzteverbands oder auf unserer Homepage. Die HZV-Teilnahme ist die einzige Chance, kurzfristig zu einer besseren Vergütung Ihrer Leistungen zu kommen.

Jürgen Burdenski