Skip to main content
  • News

Elektronische Patientenakte: "In der jetzigen Form wenig hilfreich"

Plakat und Flyer zum Herunterladen



Hattersheim, 18.11.2024 - Alle Gesundheitsdaten, immer zugänglich für alle Mitbehandelnden: Das ist sinnvoll – wenn es funktioniert, wenn die Daten gut geschützt sind und nicht in die Hände Dritter gelangen. Aber in der jetzigen Form sei die elektronische Patientenakte (ePA) wenig hilfreich, so sieht es der Hausärzteverband Hessen. Was kritisch zu sehen ist, darüber informieren ein Plakat und ein Handzettel, die im Wartezimmer ausgehängt werden können.

"Derzeit sind die hinter der ePA stehenden Informationsflüsse und Versorgungsprozesse noch wenig bis gar nicht auf die Erfordernisse der hausärztlichen Versorgung abgestimmt“, sagt Christian Sommerbrodt, erster Vorsitzender des Hausärzteverbandes Hessen (HÄVH). Nachbesserungen seien dringend erforderlich. So müssten etwa die Zugriffe schnell und zuverlässig möglich sein, auch müsse die ePA eine Volltextsuche enthalten. 

„Die Praxen dürfen nicht wieder zu Beta-Testern eines unausgereiften Systems werden, ähnlich wie es beim E-Rezept war“, fordert Sommerbrodt. „Die ePA kann die Versorgung der Patientinnen und Patienten durchaus verbessern: Doch leider sind die technischen, inhaltlichen und organisatorischen Voraussetzungen für einen reibungslosen Ablauf nicht rechtzeitig geschaffen worden. Das Personal in den Praxen hat keine Zeit, den Umgang mit der ePA zu üben. Die technische Umsetzung erfolgt ohne Übungsphase“, so der Hausarzt aus Wiesbaden. Kritisch zu sehen sei zudem, dass die ePA mitten in der Infekt-Saison an den Start gehen werde. „Das bedeutet eine immense zusätzliche Belastung für die Praxen.“

Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger: „Wir können diese Aufgabe nicht übernehmen“

Um das Potenzial der ePA auszuschöpfen, müssten das Bundesgesundheitsministerium, die künftige Digitalagentur Gesundheit, aber auch die Krankenkassen ihren Pflichten nachkommen. „Dazu gehört zum Beispiel, dass die Bürgerinnen und Bürger über die Funktionsweise der ePA aufgeklärt werden müssen. Wir Ärztinnen und Ärzte können diese Aufgabe nicht zusätzlich übernehmen, da uns die Zeit dann für die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten fehlt“, betont der erste Vorsitzende des Hausärzteverbandes Hessen. Bevor Daten auf die ePA hochgeladen werden können, müssen die Patientinnen und Patienten zudem jeweils einzeln ihre Zustimmung erteilen, bei manchen Daten sogar vorher unterschreiben. „Das wird parallel zur normalen Sprechstunde nicht funktionieren“, warnt Sommerbrodt.

Wer kein geeignetes Endgerät hat, kann die ePA nur eingeschränkt managen

Die ePA wurde für die Nutzung auf digitalen Endgeräten entwickelt. Patientinnen und Patienten können die ePA mithilfe einer App managen und haben so ihre Gesundheitsdaten immer auf dem Smartphone dabei oder können diese auf dem PC oder Laptop einsehen. „Wer kein geeignetes Endgerät besitzt oder die App nicht verwenden möchte, kann die ePA nur eingeschränkt managen und gibt womöglich unfreiwillig sein Einverständnis, dass unkontrolliert alle Daten einsehbar sind“, so eine weitere Kritik des Hausärzteverbandes Hessen.

Sensible Gesundheitsdaten könnten in falsche Hände geraten

Die geplante Nutzung der Daten für die Forschung unterstützt der Hausärzteverband Hessen. Allerdings werden die Daten von Anfang an nicht maschinell lesbar – nämlich als PDF-Dokumente – in die Akte eingefügt. „Das Versprechen die Forschung zu verbessern, ist jedoch ohne strukturierte Datenerfassung nicht möglich“, so Sommerbrodt. „Besonders kritisch ist der versprochene Datenzugriff für die Industrie“, betont der HÄVH-Vorsitzende. Zudem könne es trotz hoher Sicherheitsstandards zu Datenlecks und Cyberangriffen kommen. „So könnten sensible Gesundheitsdaten in falsche Hände geraten“, befürchtet Sommerbrodt.

Keine einheitliche Systematik zum Speichern der Gesundheitsdaten

Ein weiterer Kritikpunkt: Zwar sollen Medikations-, Befund- oder Labordaten künftig als „Medizinische Informations-Objekte“, kurz MIO, automatisch so aufbereitet und strukturiert werden, dass Ärztinnen und Ärzte in Praxen und Kliniken sie leicht finden und nutzen können. Doch diese MIO gibt es noch nicht für alle wichtigen Daten. „So werden zum Beispiel Röntgenbilder, Impfpässe oder Laborbefunde noch nicht automatisch aufbereitet und strukturiert, dies ist bis zum Start der ePA auch nicht vorgesehen. Damit ist die ePA in der jetzigen Form für die Praxen sehr zeitaufwändig“, sagt Sommerbrodt.

Volltextsuche nicht möglich

Zudem gebe es keine einheitliche Systematik zum Speichern der Gesundheitsdaten. „Das macht es kompliziert, wenn man etwas sucht: Eine Volltextsuche innerhalb der ePA ist bisher nicht möglich. Es ist nicht praxistauglich, wenn Ärztinnen und Ärzte nur in den Metadaten der Dokumente suchen können. Nicht zuletzt sei die Frage ungeklärt, wie Ärztinnen und Ärzte auf die Vollständigkeit der Daten vertrauen könnten und wie sich dies haftungsrechtlich auswirkt.

Honorierung nicht ausreichend

Nicht zuletzt werde der Aufwand, den die Praxen mit der ePA haben, in keiner Weise honoriert: „Für die Erstbefüllung einer ePA, zum Beispiel mit einem Arztbrief, gibt es einmalig 10,23 €. Für das Erfassen, Verarbeiten und Speichern weiterer Daten in anderen Quartalen erhalten wir 1,36 € bis maximal 7,88 € pro Jahr. Wenn es dabei bleibt, ist es schlicht nicht ausreichend“, so Sommerbrodt. Zudem gehörten die Sanktionen, die Vertragsärztinnen und -ärzten drohen, wenn sie Pflichtanwendungen nicht nutzen, endlich abgeschafft.

Plakat für das Wartezimmer

Handzettel für das Wartezimmer