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Die elektronische Patientenakte: Das kommt auf Praxen zu

Die Ziele der Bundesregierung sind klar – und hoch gesteckt: Die elektronische Patientenakte (ePA) soll die Versorgung der Versicherten verbessern. Alle Gesundheitsdaten der Patientinnen und Patienten, immer zugänglich für alle Mitbehandelnden: Das ist sinnvoll – wenn es denn funktioniert, wenn die Daten gut geschützt sind und wenn sie nicht in die Hände Dritter gelangen. Doch in der jetzigen Form ist die ePA wenig hilfreich, kritisiert der Hausärzteverband Hessen. Was kommt auf die Praxen zu?

„Opt-Out“-Lösung ab 15. Januar

Wer gesetzlich krankenversichert ist, hat bereits seit 2021 die Möglichkeit, die elektronische Patientenakte (ePA) zu nutzen. Allerdings machen bisher nur etwa ein Prozent der Versicherten davon Gebrauch. Mitte Dezember 2023 hatte der Bundestag ein Gesetz beschlossen, nach dem die ePA ab 15. Januar 2025 auf die „Opt Out“-Lösung umgestellt wird. Das bedeutet: Man erhält grundsätzlich eine ePA – es sei denn, man widerspricht: Derzeit versenden die Krankenkassen Briefe, in denen sie ihre Versicherten über die Einrichtung ihrer ePA informieren und ihnen auch mitteilen, wo und wie sie Widerspruch einlegen können. Dafür wird eine Frist von sechs Wochen eingeräumt. Doch auch wer diese Frist versäumt oder später seine Meinung ändert, kann noch widersprechen. Dann muss die Krankenkasse die bereits erstellte ePA mit allen Daten löschen.

Knapp bemessener Zeitplan

Laut Bundesministeriums für Gesundheit startet am 15. Januar 2025 in den Modellregionen Franken und Hamburg eine vierwöchige Pilotphase. Verlaufen die Tests reibungslos, wird als Starttermin für den bundesweiten Rollout der 15. Februar 2025 angestrebt – ein Termin, den selbst die Kassen als „ambitioniert“ bezeichnen. Bis Ende 2025 sollen, so hatte es Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Frühjahr 2023 als Ziel vorgegeben, rund 80 Prozent der gesetzlich Versicherten die elektronische Patientenakte nutzen.

Die ePA wurde für die Nutzung auf digitalen Endgeräten entwickelt. Patientinnen und Patienten können die ePA mithilfe einer App managen und haben so ihre Gesundheitsdaten immer auf dem Smartphone dabei oder können diese auf dem PC oder Laptop einsehen.

Unsere Kritik:

  • Wer kein geeignetes Endgerät besitzt oder die App nicht verwenden möchte, kann die ePA nur eingeschränkt managen und gibt womöglich unfreiwillig sein Einverständnis, dass unkontrolliert alle Daten einsehbar sind.

Starten soll die E-Akte ab 15. Januar 2025 mit folgenden Basisfunktionen: Medikationsdaten, Klinik-Entlassbrief, E-Arztbrief, Abrechnungsdaten, E-AU, Laborbefund, E-Bildbefund, DiGA.

Updates im Juli 2025 und Januar 2026 sollen weitere Funktionen hinzufügen: Medikation: Integration von Privatrezepten und Selbstmedikation (OTC), Patientenkurzakte, Digitales DMP, Impfpass, U-Heft, Datennutzung für die Forschung.

Unsere Kritik:

  • Die ePA geht mitten in der Infekt-Saison an den Start. Das bedeutet eine immense zusätzliche Belastung für die Praxen. Denn die technischen, inhaltlichen und organisatorischen Voraussetzungen sind nicht rechtzeitig geschaffen worden.
  • Um das Potenzial der ePA auszuschöpfen, müssten besonders das Bundesgesundheitsministerium, die künftige Digitalagentur Gesundheit, aber auch die Krankenkassen ihren Pflichten nachkommen. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Bürgerinnen und Bürger über die Funktionsweise der ePA aufgeklärt werden müssen. Wir Ärztinnen und Ärzte können diese Aufgabe nicht übernehmen, schon gar nicht in der Infekt-Saison.
  • Die geplante Nutzung der Daten für die Forschung ist kritisch zu sehen. Unterschiedliche Akteure können einen Zugriff auf die Forschungsdaten anfragen und unter bestimmten Voraussetzungen bekommen. Auch Pharma-Unternehmen können Zugriff erhalten.

Diese Daten müssen angelegt werden

Das Digital-Gesetz verpflichtet Ärztinnen und Ärzte, Behandlungsdaten in die E-Akte einzutragen – außer Versicherte lehnen dies ab. Dokumentiert werden müssen

  • Befundberichte aus selbst durchgeführten invasiven oder chirurgischen sowie aus nichtinvasiven oder konservativen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, eigene Befundberichte aus bildgebender Diagnostik, Laborbefunde, elektronische Arztbriefe aus Akutversorgung und ambulanter Behandlung, Medikationsinformationen (d. h. Medikationsliste, AMTS-relevante Zusatzinformationen, Medikationsplan), Klinik-Entlassbriefe.
  • Auf Patienten-Wunsch: DMP-Daten, eAU-Bescheinigungen, Daten zu Erklärungen zur Organ- und Gewebespende, Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen, Kopie der Behandlungsdokumentation etc.

 Medikations-, Befund- oder Labordaten sollen künftig als „Medizinische Informations-Objekte“, kurz MIO, automatisch so aufbereitet und strukturiert werden, dass Ärztinnen und Ärzte in Praxen und Kliniken sie leicht finden und nutzen können.

Unsere Kritik:

  • Die geplanten „Medizinischen Informations-Objekte“ (MIO) gibt es noch nicht für alle wichtigen Daten. So werden zum Beispiel Röntgenbilder, Impfpässe oder Laborbefunde noch nicht automatisch aufbereitet und strukturiert, dies ist bis zum Start der ePA auch nicht vorgesehen. Damit ist die ePA in der jetzigen Form für die Praxen sehr zeitaufwändig.
  • Es gibt keine einheitliche Systematik zum Speichern der Gesundheitsdaten. Das macht es kompliziert, wenn man etwas sucht: Eine Volltextsuche innerhalb der ePA ist bisher nicht möglich. Es ist nicht praxistauglich, wenn Ärztinnen und Ärzte nur in den Metadaten der Dokumente suchen können.

 Wenn Versicherte dies wünschen, können Dokumente auch hochgeladen und dann „verschattet“ werden. Die Praxen müssen Patientinnen und Patienten über diese Option bei solchen Daten aufklären, die eine Stigmatisierung oder Diskriminierung zur Folge haben könnten – wie sexuell übertragbare Infektionen, psychische Erkrankungen oder auch Schwangerschaftsabbruch: Hier ist die Eintragung freiwillig, und die Praxen müssen Patientinnen und Patienten auf ihr Recht zum Widerspruch hinweisen. Lehnen Versicherte einen Eintrag ab, müssen Ärztinnen und Ärzte dies in ihrem PVS bzw. in der Behandlungsdokumentation protokollieren.

Bei genetischen Untersuchungen darf die Praxis das Ergebnis nur einstellen, wenn Patientinnen und Patienten in schriftlicher oder elektronischer Form explizit eingewilligt haben. Zudem muss die Praxis die Patientinnen und Patienten jeweils darüber informieren, welche Daten in die ePA neu eingestellt wurden und dass auf Wunsch weitere Daten eingestellt werden können.

Unsere Kritik:

  • Bevor Daten auf die ePA hochgeladen werden können, müssen die Patientinnen und Patienten jeweils einzeln ihre Zustimmung erteilen, bei manchen Daten sogar vorher unterschreiben. Das wird in der normalen Sprechstunde nicht funktionieren.

Wichtig: Die elektronische Patientenakte ersetzt nicht die Behandlungsdokumentation im Praxisverwaltungssystem. Ärztinnen und Ärzte sind nach Gesetz und Berufsordnung verpflichtet, alle medizinisch relevanten Informationen für die Behandlung eines Patienten zeitnah in der Patientenakte festzuhalten – elektronisch oder auf Papier. An dieser Pflicht ändert sich mit der ePA nichts.

Zugriff auf die ePA über die elektronische Gesundheitskarte

Arzt- oder Psychotherapiepraxis haben im Behandlungskontext standardmäßig Zugriff auf alle Inhalte der ePA eines Versicherten. Der „Behandlungskontext“ wird durch Einlesen der eGK nachgewiesen. Hierdurch erhält die Praxis automatisch Zugriff auf die ePA-Inhalte, und zwar für einen Zeitraum von 90 Tagen. Versicherte können mithilfe ihrer ePA-App die Zugriffsdauer beliebig anpassen, auch ein dauerhafter Zugriff kann erteilt werden: So können zum Beispiel Hausärztinnen und als „Vertrauensleistungserbringer“ eingerichtet werden. Versicherte haben aber auch die Möglichkeit, den Zugriff einer Praxis auf die Inhalte einer ePA vielfältig zu beschränken, indem sie widersprechen, Inhalte verbergen oder löschen.

Unsere Kritik:

  • Auch wenn jeder Zugriff in der ePA protokolliert wird, ist die Frage ungeklärt, wie Ärztinnen und Ärzte auf die Vollständigkeit der Daten vertrauen können und wie sich dies haftungsrechtlich auswirkt.

Wie läuft die Nutzung?

Ärztinnen und Ärzte sehen die Akteninhalte über ihre PVS. Dabei soll direkt zu erkennen sein, wenn es neue Dokumente gibt. Zudem soll man im PVS Voreinstellungen hinterlegen können, welche Inhalte einem grundsätzlich angezeigt werden sollen.

Bislang zeigen die Erfahrungen wie beim E-Rezept, dass eine gute Bedienbarkeit stark von der jeweiligen Praxissoftware abhängt.

Idealerweise – so beschreibt es auch die Gematik – soll der Austausch oder die Übertragung der Daten zwischen Praxissoftware und Akte für ein oder mehrere Dokumente gleichzeitig „mit einem Klick“ möglich sein. Das Aufrufen der Akte und das Hochladen eines Inhalts unter fünf MB soll höchstens drei Sekunden dauern, verspricht die Gematik.

Unsere Kritik:

  • drei Sekunden klingt wenig – und ist doch zu viel. Damit die Nutzung der ePA in den Praxisablauf integriert werden kann, wären kürzere Ladezeiten als die versprochenen drei Sekunden wünschenswert.
  • Bislang werden Daten von Ende zu Ende verschlüsselt, sodass sie vor der Bearbeitung erst heruntergeladen und vom Konnektor entschlüsselt werden mussten. Inzwischen hat die Gematik zwar einen Umbau auf eine „vertrauenswürdige Ausführungsumgebung (VAU)“ beschlossen – eine Art Transportverschlüsselung, die für eine definierte Zeit kann der Akten-Server dann mit den Daten im Klartext arbeiten. Erst dies ermöglicht eine Volltextsuchen und den aus unserer Sicht erforderlichen Virenscan auf dem Server.
  • Trotz hoher Sicherheitstandards kann es zu Datenlecks und Cyberangriffen kommen. So könnten sensible Gesundheitsdaten in falsche Hände geraten.

Abrechnung im EBM

Die Erstbefüllung der E-Akte, zum Beispiel mit einem Arztbrief, wird nach wie vor einmalig mit 10,62 Euro (01648 EBM) bewertet. Vorerst bis 14. Januar 2025 extrabudgetär, der deutschlandweite Rollout beginnt erst am 14. Februar2025.

Für das Erfassen, Verarbeiten und Speichern weiterer Daten in anderen Quartalen gibt es

entweder 1,79 Euro (01647 EBM) als Zuschlag zur Versichertenpauschale im Quartal. Macht jährlich also 7,16 Euro oder 0,36 Euro (01431 EBM) als Zuschlag zu Verwaltungsziffern wie 01430 EBM usw. Diese sind pro Arztfall abzurechnen. Das summiert sich dann auf 1,44 Euro im Jahr pro Arzt und Quartal.

Unsere Kritik:

  • Damit wird der Aufwand, den wir mit der ePA in den Praxen haben, in keiner Weise honoriert.
  • Die Praxen dürfen nicht wieder zu Beta-Testern eines unausgereiften Systems werden, ähnlich wie es beim E-Rezept war. Die ePA kann die Versorgung der Patientinnen und Patienten durchaus verbessern: Doch leider sind die technischen, inhaltlichen und organisatorischen Voraussetzungen für reibungslosen Ablauf nicht rechtzeitig geschaffen worden.