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14.03.2023

Resolution der Delegiertenversammlung:
Pläne zur Notfallreform gefährden ambulante Versorgung

Eine Expertenkommission der Bundesregierung hat Vorschläge für eine Reform von Notaufnahmen und Rettungsdiensten vorgelegt. Die Delegiertenversammlung des Hausärzteverbandes Hessen (HÄVH) kritisiert die Pläne und fordert, stattdessen die hausarztzentrierte Versorgung zu stärken. Zudem ist es sinnvoll, auf bestehende Strukturen zu setzen wie zum Beispiel auf die „Sektorenübergreifende ambulante Notfallversorgung“ (SaN), ein deutschlandweit einmaliges Modellprojekt, das seit gut einem Jahr in drei hessischen Landkreisen erprobt wird.

 
Die Vorschläge der Expertenkommission sehen unter anderem vor, sogenannte integrierte Notfallzentren (INZ) zu schaffen. Sie sollen aus jeweils einer Notaufnahme eines Krankenhauses sowie einer Notfallpraxis niedergelassener Ärztinnen und Ärzte bestehen. Es ist jedoch unpraktikabel, neben der bestehenden Primärversorgung zusätzliche, rund um die Uhr erreichbare Bereitschaftsdienste und Notfallzentralen zu schaffen.

Krankenhäuser sind nicht auf hausärztliche Versorgung ausgerichtet

Krankenhäuser sind finanziell und medizinisch auf intensive stationäre Behandlung ausgerichtet. Zu einer hausärztlichen ambulanten Behandlung sind sie weder fachlich geeignet noch finanziell motiviert. Die COVID-Pandemie hat gezeigt, wie problematisch eine Zentralisierung der Notfallversorgung sein kann, denn sie führte in vielen europäischen Ländern zur völligen Überlastung der Kliniken und zu massivem menschlichen Leid. Und genau solche Strukturen sollen hier nun auch in Deutschland ohne Not aufgebaut werden.

Vorschläge zu Integrierten Notfallzentren völlig inakzeptabel

Die Delegiertenversammlung des HÄVH kritisiert vor allem die Vorschläge zu den sogenannten Integrierten Notfallzentren (INZ) als inakzeptabel. Die INZ sollen, so die Pläne, an allen rund 420 Krankenhäusern der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung in Deutschland verpflichtend eingerichtet werden. Die Arbeit in diesen Zentren soll von Hausärztinnen und Hausärzten erledigt werden – zusätzlich zur ohnehin schon überbordenden Arbeit.

Niemand wird unentgeltliche Zusatztätigkeiten übernehmen

Fest steht: Niemand wird Nacht- und Wochenenddienste im Krankenhaus zusätzlich zur Praxistätigkeit und zusätzlich zum ärztlichen Bereitschaftsdienst akzeptieren. Erst recht nicht, wenn diese unentgeltliche (!) Zusatztätigkeit nur für die bereits völlig überlasteten Primärversorgerinnen und Primärversorger gelten soll.

Pläne der Expertenkommission treiben Ärzte ins Ausland oder in die Rente

Werden diese Pläne umgesetzt, wird dies viele der dringend benötigten Nachwuchsärztinnen und -ärzte in andere Fächer oder ins Ausland treiben – und die älteren Hausärztinnen und Hausärzte in die (vorzeitige) Rente. Am 1. Januar 2021 waren von 44.158 Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern 17.148 (knapp 39%) über 60 Jahre alt und 8.482 (knapp 20%) über 65 und damit bereits im Rentenalter. Eine zusätzliche Belastung würde binnen weniger Monate zu einer Verkleinerung hausärztlicher Arbeitskapazität um etwa 20-30% führen. Da deutsche Hausärztinnen und Hausärzte bereits jetzt zwei- bis dreimal mal mehr Patientenkontakte pro Tag bewältigen müssen als in vergleichbaren Ländern und durchschnittlich zwischen 50 bis 60 Stunden pro Woche arbeiten, gibt es angesichts des erheblichen Personalmangels in medizinischen Assistenzberufen auch keine Kompensationsmöglichkeiten.

Wohnortnahe hausärztliche Versorgung massiv gefährdet

Werden die Pläne der Expertenkommission umgesetzt, wird es keine flächendeckende wohnortnahe hausärztliche Versorgung mehr geben. Und insbesondere ältere und immobile Patientinnen werden weitgehend von der medizinischen Versorgung ausgeschlossen.

Sinnvoller wäre es, Strukturen des SaN-Projekts zu nutzen

Viel sinnvoller als die Förderung der INZ – und damit der stationären Versorgung – wäre es, die Strukturen des hessischen SaN-Projekts zu nutzen. Das deutschlandweit einzigartige Modellprojekt, das seit gut einem Jahr im Main-Taunus-Kreis, im Main-Kinzig-Kreis sowie im Kreis Gießen erprobt wird, ermöglicht eine schnelle, passgenaue Patientensteuerung durch den Einsatz digitaler Systeme (SmED/IVENA). Patientinnen und Patienten, die stationär behandelt werden müssen, können den zentralen Notaufnahmen effizienter zugewiesen werden. Wer ambulant versorgt werden kann, wird vom Rettungsdienst nicht ins Krankenhaus, sondern in eine Partnerpraxis gefahren und dort behandelt. Um Patientinnen und Patienten und ihre Daten reibungslos von einem System in das andere übergeben zu können, werden die zentralen Leitstellen des Rettungsdienstes und der KV Hessen miteinander verknüpft.

 

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